Freitag, 8. Mai 2015

Der verdammte Krieg (8. Mail 1945)

Mein Nachbar 91 Jahre alt, leicht verwirrt (was in dem Alter nicht ungewöhnlich ist) aber er erinnert sich noch an den 8. Mai 1945. Erstaunlicherweise hat er heute (9. Mai 2015) das erste mal darüber geredet, nachdem ich ihn gefragt hatte. Es ist niemand der gern über seine Erlebnisse redet, ganz im Gegenteil zu einem angeheirateten (darauf lege ich sehr viel wert!) Onkel, der alle nas lang vom Krieg erzählt und ich auch schon oft und viel Streit diesbezüglich mit ihm hatte. Er erwartet noch eine Rente und Wiedergutmachung vom deutschen Staat wegen seinem Traumatischen erleben. Dabei weis jeder, dass er über die Küche und das Kartoffelschälen nie hinaus kam. Wie mein Onkel und andere Teilnehmer des Krieges schon immer sagten: "Wer war erlebt hat, der redet nicht drüber". Die die nichts zu berichten haben, konstruieren sich eine eigene Realität.

Zurück zu meinem eher stillen Nachbarn.
Ich war bei Kriegsende im Lazarett in Mainz. Mir waren beide Füsse in der Ukraine erfroren und man wollte mir die Füsse eigentlich im Mai amputieren. Ein Tag vor dem Abnahmetermin im OP kam der Chefarzt und meinte, nein wir versuchen es. Das war meine Rettung... Ich habe meine Füsse noch. So lag ich nun auf der Flucht aus dem Osten kommend in verschiedenen Krankenhäusern erst in Polen. Da waren auch ein heimische Krankenschwestern. Die waren immer sehr korrekt zu uns obwohl wir so viel Leid über das Land gebracht haben. (Anmerkung... Er spricht immer sehr wohlwollend und nett über die Gebiete wo er stationiert war und über die lokale Bevölkerung. An der SS lässt er allerdings kein gutes Haar. Das ist eine Mörderbande gewesen)  Dann irgendwo im Osten Deutschlands (er kann sich daran nicht mehr erinnern), dann in Darmstadt (was total zerstört war), dann in Mainz (was schon amerikanisch Besetzt war), dann in Köln von wo aus er in Gefangenschaft bei den Amerikanern kam (dazu später). So lag ich nun im Mai in Lazarett in Mainz und war eher mit mir beschäftigt und mit dem "Behalten" meiner Füsse. Da war es mir total egal ob und wer den Krieg gewonnen oder verloren hatte. Ich war froh, am Leben zu sein. Ich machte mir keine Gedanken über die Kapitulation. Ich wollte wieder aufrecht gehen können. Bis dahin habe ich seit jenem Tag als der "Russe" angriff und meine Einheit (175 Infrantrie... irgenwas) überrannt wurde und nur 3 Leuten die Flucht gelang (einer davon mein Nachbar). Ich war in einer hinter der Frontlinie gelegen Stellung zum Ausruhen vom Einsatz als der Alarm kam. Ich wachte in dem Erdloch auf das ich gegraben hatte und wollte meine Stiefel anziehen. Aber meine Füsse waren so angeschwollen, dass ich die Stiefel nicht mehr anbekam. Überall um mich Granaten, in Rufweite eine Granatwerferstellung mit zwei verbliebenen Kammeraden (die er aber nicht kannte) aus der Einheit. Daneben ein LKW. Die Kammeraden schon dabei abzuhauen bzw. sich zurück zu zeihen. Man sah den Kollegen (meinen Nachbar) und schnappte Ihn, da er nicht laufen konnte und warf ihn auf die Rückfläche des LKW zur Munition und machte sich auf und davon. Das hat ihm das zweite mal das Leben gerettet und so kam er in das Lazarett irgendwo in Polen und von daher weiter wie vorher beschrieben.
Das erste mal hat ihn ein anderer Umstand gerettet. Man war in Stellung irgendwo im Mittelabschnitt (Ukraine) an der Front und wartete auf Angriff der Russen. Man war in Erdlöchern eingegraben. Es war Essenszeit und sein Kammerad und er, die beide in dem Erdloch sassen hatten Hunger und mein Nachbar ging dann zur Essensausgabe. Auf dem Rückweg ging dann eine Salve Granaten oder Artillerie über dem Abschnitt nieder und sein Kammerad in dem besagten Erdloch wurde von einem Volltreffern total zerfetzt. Zwischen dem Essen "essen-holen-gehen" und dem Einschlag lagen vielleicht 10 oder 15 Minuten. So schnell kann man wiedergeboren werden.
Mein Nachbar sagte mehrfach, dass er sehr viel Glück hatte. Von seinem Jahrgang (1925) haben nur 3 es geschafft. Der Rest ist war 1945 tot.
Seine weiteren Stationen waren nach dem Lazarett in Köln die Kriegsgefangenschaft bei den Amerikanern. Er war zunächst in einem Bergwerk in Belgien und dann später in Le Havre zum Entladen von Schiffen eingesetzt. Er weis nicht mehr wann er Entlassen wurde, ob es noch 1945 oder 1946 war. Er weis noch dass er nach Abreise aus Le Havre 3 Tage in Dachau inhaftiert war, als Übergangslager und dann mit dem Zug zurück in die Heimat fuhr.
Abschließend hat er noch gesagt (und das auch dazwischen mehrfach). "Jeder der "oberen" die Krieg führen oder Krieg antreiben sollte man die Hände abhacken".

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